Von Männern, die Frauen nachahmen
Erneut wird die Realität der biologischen Natur von Frau und Mann verdreht. Diesmal: Die Statue eines stillenden Mannes mit Penis und weiblichen Brüsten sorgt auf Twitter für Aufsehen.
Ein Kommentar zu Aske Jonatan Kreilgaards Statue Agape, ausgestellt im KØN Museum in Aarhus, Dänemark.
Twitter ist zu einem Pulsmesser unserer Zeit geworden. Gehen in der Twittersphäre bestimmte Posts plötzlich viral, so handelt es sich meist um Themen oder Ereignisse mit hohem Entrüstungs- und Skandalpotential, über die sich die Twitterwelt für eine Weile großmäulig echauffieren kann, bis die nächste Sensation für Furore sorgt. Da der Hype oft genauso schnell wieder verschwindet, wie er aufgekommen ist, tut man meist ein gutes daran, diesen viralen Posts nicht zu viel der eigenen kostbaren Aufmerksamkeit zu geben.
Diese Woche jedoch machte auf Twitter das Foto einer Statue die Runde, über das man nicht so leicht hinwegsehen sollte. Die Statue zeigt einen nackten Mann mit Vollbart, einem Penis und runden, weiblich geformten Brüsten, der an seiner linken Brust ein Baby stillt. Das Werk trägt den Namen Agape, abgeleitet von Altgriechisch ἀγάπη, ein antikes Konzept, das die höchste, gewissermaßen transzendente Form von Liebe beschreibt. Das Werk des dänischen Künstlers Aske Jonatan Kreilgaard wurde bereits im November 2021 im KØN Museum in Aarhus eingeweiht, schaffte es jedoch erst jetzt, eineinhalb Jahre später, zu internationaler Aufmerksamkeit – dank Twitter.
Kunst ist immer ein Ausdruck des gesellschaftlichen Zustands, eine Repräsentation und Reflektion der Ideen und Werte, die in einer bestimmten Ära dominieren und florieren. Kreilgaards stillender Mann verdient insofern unsere Aufmerksamkeit, als dass er das kulturelle Moment des ersten Viertels des 21. Jahrhunderts perfekt auf den Punkt bringt: Das biologische Geschlecht wurde der Willkür preisgegeben – und mit ihm das Grundgerüst von Realitätswahrnehmung und -abbildung, so wie wir es bisher kannten.
Mit der postmodernen Auflösung sämtlicher Definitionen und der Relativierung grundlegendster Fakten wird die Realität als solche zur Willkür. Alles geht, alles ist möglich, alles kann sich durch bloße Äußerung oder Willenskraft manifestieren. Wir sehen dies in Kreilgaards Werk in der Verzerrung und Vermischung des biologischen Geschlechts zu einem unmöglichen Hermaphroditen: Diese Person, so wie sie dargestellt ist, kann nicht existieren. Dieser Mann ist ein illusorisches Wunschkonstrukt, widernatürlich, denn er kann das Kind nicht an seiner eigenen Brust stillen. Dies ist einzig und allein Frauen möglich, doch diese wiederum haben keine Penisse. Nur Männer haben Penisse, nur Frauen können gebären und stillen. Die einzigartige Rolle von Frauen als lebensspendende Kraft der Gesellschaft wird hier vollkommen ausgehebelt.
Der Bogen zu der aktuell vorherrschenden toxischen Ausprägung des Transaktivismus, der genau diese Erosion der Bedeutung des Frauseins (und Mannseins) anstrebt, ist schnell gespannt: Frauen sind zu „stillenden Personen“, „Personen mit Vulva“ oder „Gebärenden“ im Namen der Inklusion von „Transfrauen“ oder „Transmännern“ degradiert worden, als ob die Realität des Frauseins nicht untrennbar verbunden wäre mit biologischen Grundvoraussetzungen wie Brüsten, einer Vulva und Eierstöcken bzw. einer Gebärmutter.1 Die Illusion, als Mann eine Frau sein zu können – in vielen Fällen auf einem Fetisch basierend (siehe: Autogynephilie2) –, soll zur Wirklichkeit erhoben werden. Doch die Statue, wie auch jede „Transfrau“, wird das bleiben, was sie ist: die falsche Imitation, die leere Nachahmung einer Frau.
Das Verb „nachahmen“ wird im Duden folgendermaßen definiert: „jemanden, etwas in seiner Eigenart, in einem bestimmten Verhalten o. Ä. möglichst genau kopieren.“ Kreilgaards männliche Statue tut genau das, er ahmt eine stillende Frau nach, ohne jedoch effektiv stillen zu können. Wie ein Twitter-User es in einem Kommentar auf den Punkt brachte: Dieses Baby würde verhungern. Dieser Mann imitiert eine Frau, indem er das Baby an seine üppige Brust hält, doch man hat sofort im Gefühl, dass hier etwas nicht stimmt. Diese Statue ist eine post-biologische, surreale Version eines Mannes: Er simuliert das Stillen, wird dazu jedoch nie in der Lage sein, genauso wenig wie er in der Lage sein wird, ein Kind zur Welt zu bringen. Ob man will oder nicht, das Gebären und Stillen an der Brust ist und wird immer Frauen vorbehalten sein. Doch echte Brüste (mit Milchdrüsen, nicht aus Silikon) sind nicht kompatibel mit einem echten Penis (der zu Samenerguss fähig ist, nicht der Fleischklumpen, der aus dem Muskel eines Vorderarms gemacht wird und eine Pumpe braucht, um zu erigieren).
Das Wort Nachahmung hat noch einen weiteren Beigeschmack und das ist der der Nachäffung, der Imitation mit dem – beabsichtigten oder unbeabsichtigten – Effekt, etwas der Lächerlichkeit preiszugeben oder zu entwürdigen. Es liegt die Vermutung nahe, dass hier der Grund für die Twitter-Entrüstung um diese Statue liegt. Dieses Werk ist für viele Frauen, ich würde sogar behaupten für die meisten, die groteske Karikatur einer sehr besonderen, sehr intimen, außergewöhnlichen, körperlichen und emotionalen Erfahrung. Die Mutterschaft – das Tragen und Austragen eines neuen Lebens in diese Welt – ist und bleibt ein Wunder der Natur, eine Realität, zu der einzig und allein Frauen fähig sind. Das Stillen steht symbolisch für die einzigartige Verbindung zwischen einer Mutter und ihrem Kind, selbst wenn eine Mutter nicht stillt. Diese Erfahrung kann und wird ein biologischer Mann bzw. eine „Transfrau“ nie machen können. Das ist die Realität, wie sie seit tausenden von Jahren auf unserem Planeten existiert und nach uns weiterexistieren wird.

Wo Kunst einst den Menschen in seiner vom Universum vorgegebenen Natürlichkeit abbildete, so ist sie nun dazu verkommen, die Natürlichkeit und Natur zu verfälschen. Kreilgaard selbst sagt, dass er mit seinem Werk hinterfragen wolle, „was ein Mann sein und was er können sollte“. Soll ein Mann also nun eine Frau sein? Soll ein Mann nun effektiv stillen können? Wollte der Künstler einfach nur darauf hinaus, dass ein Mann ebenfalls Fürsorge für ein Baby tragen solle, indem er seinem Werk zwei Brüste – übrigens die seiner Freundin – verlieh?3 Wollte er, wie er selbst schreibt, nur ein Zeichen für die männliche Verletzlichkeit setzen? Was auch immer die Absicht des Künstlers gewesen sein mag, seine Agape ist für einige bestenfalls ein eigenartiges Kunstwerk, für andere jedoch ein Affront und ein weiteres Beispiel dafür, wie die Realität des biologischen Geschlechts verdreht wird.
Wir leben in der Tat in einer eigenartigen Welt, in der von Frauen mit Penissen die Rede ist und von Männern, die Kinder bekommen, und wo auf einer offiziellen Internetseite der US-Regierung zum Thema Stillen das Wort „Frauen“ nur ein einziges Mal vorkommt: nämlich bei der Erklärung, dass ab Dezember 2020 das Wort „Frauen“ nicht mehr benutzt werde, sondern „stillende Personen“. So verwundert es auch niemanden mehr, dass das KØN Museum, wo Kreilgaards Statue steht, ehemals das Kvindemuseet war: køn ist das dänische Wort für „Gender“, kvinde bedeutet „Frauen“.
Über die Autorin: Jahrgang 1987, mit Wurzeln in Deutschland und den Philippinen, in Spanien ansässig. Konstante Neugier und Wissbegierde. Freiheit > Sicherheit. Sich selbst eine Meinung bilden > Gruppendenken. Kaffee > Tee. Aktuelle Lektüre: “Conversations on Love” von Natasha Lunn.
The English version of the article can be found here:
Zum oft vorgebrachten „Argument“, dass es ja auch Frauen ohne Eierstöcke oder Gebärmutter gebe, und diese Charakteristik somit nicht mehr biologisch ausschlaggebend für die Definition einer Frau sei, empfehle ich Matt Walshs einfache und logische Entkräftung dieses – im Übrigen frauenfeindlichen – Arguments in einer Debatte an der New Mexico State University zum Thema Transgender.
Autogynephilie beschreibt die sexuelle Erregung von Männern bei der Vorstellung, selbst zur Frau zu werden und ist eng mit Transvestitismus verbunden.
Von einer ästhetischen und künstlerischen Perspektive betrachtet, ist es durchaus bezeichnend, dass Kreilgaard nicht einmal wirklich selbst Hand angelegt hat bei seinem eigenen Kunstwerk: Seine Statue entsprang einem 3D-Drucker, er bastelte die Teile nur zusammen. Man vergleiche hierzu wahrhaftige Künstler wie Giuseppe Sanmartino (1720-1793), die aus Marmor mit Hammer und Meißel ein wahres Wunderwerk zu schaffen vermochten.