Frauen brauchen Männer. Und Männer brauchen Frauen.
Ein Plädoyer für mehr Wertschätzung unter den Geschlechtern.
Ein Kommentar zu „Das Ende des weißen Mannes wie auch des Wohlstandes“ (veröffentlicht auf dem Blog uepsilonniks am 17. September 2022)
Dem heutigen Kommentar muss eine kurze Erklärung vorangestellt werden, da seine Entstehungsgeschichte mit folgender Aussage begonnen hat:
„Frauen leisten weniger.“
Als ich diesen Satz auf dem Männerrechtlerblog von uepsilonniks las – der Zufall in Form von Twitter hatte mich dorthin gebracht –, war es natürlich schwierig, diesen unkommentiert stehen zu lassen, zumal sich die vorwiegend männlich geprägte Kommentarabteilung bereits in Saltos der Zustimmung überschlug, wie faul, wie gemein und wie schlimm das weibliche Geschlecht denn sei. Dort schrieben User beispielsweise Dinge wie „Frauen sind in der Regel nicht bereit, ihr Leben für andere Menschen Gefahren auszusetzen“ oder „Ich halte Frauen in der Hinsicht auch für klüger, sich nicht ausbrennen zu lassen. Warum sich so sehr abrackern, wenn man sich den Luxus gönnen kann [vom Mann durchgefüttert zu werden]?“. Ganz großes Kino. Also schrieb ich, um mich mal eben selbst zu zitieren, folgendes:
„Ein bisschen weniger Polemik und mehr Differenzierung hätte diesem Text gut getan.
Beim Satz „Frauen leisten weniger“ schießen Sie exakt mit der Art von niederträchtiger Munition, die Sie bei den Superfeministinnen kritisieren. Frauen leisten nicht weniger, sie leisten etwas anderes. Reden Sie mal mit Müttern, Krankenschwestern, Pflegerinnen, Lehrerinnen, und anderen „eher weiblich“ konnotierten Berufen und machen Sie sich ein Bild davon.
Ich bin als Frau gegen die Frauenquote und finde das ultrafeministische Männerbashing ebenfalls höchst problematisch. Genau wie Sie darlegen, sind Männer unabdingbar für unsere Gesellschaft – aber genauso sind es Frauen. Dass man hier die Geschlechter ausspielen will, indem man GleichBERECHTIGUNG (Mann und Frau müssen gleiche Chancen haben) mit GleichSTELLUNG (Mann und Frau müssen überall gleichermaßen vertreten sein) ersetzt, ist das große Übel. Quoten sind immer diskriminierend gegen eine Gruppe und selektieren immer zum Nachteil der Gesamtgesellschaft.
Wir müssen mit dieser Anti-Männer-Einstellung dringend aufräumen, denn sie ist eine anti-menschliche Einstellung. Dafür brauchen wir aber eben MÄNNER, die nicht solch frauenfeindliche Dinge sagen wie „Frauen leisten weniger“, sondern die GEMEINSAM mit Frauen diesen Missstand aufzeigen.“
Neben den erwartbaren, teilweise gegenüber Frauen leider recht hässlichen Kommentaren, überraschte mich die Reaktion des Autors selbst positiv: uepsilonniks fragte mich, ob ich einen Gastbeitrag zum Thema auf seinem Blog veröffentlichen möchte. Wer verschiedene Meinungen anhört und Diskussionen zulässt, den respektiere ich (auch wenn ich in diesem Fall die Meinung des Autors ganz bestimmt nicht immer teile). Denn genau das will ich auch: Diskussion, Aussprache, Annäherung und – vielleicht, schön wäre es – Verständnis, und eine Verbesserung des Status Quo. Ich nahm das Angebot an und damit wurde der Grundstein zu diesem Kommentar gelegt.
Es gibt Punkte, bei denen ich mit dem Autor durchaus mitgehe. Auch ich bin – als Frau – vehement gegen die Frauenquote. Ich bin generell gegen jede Art von Quote, da diese grundsätzlich der Meritokratie widerspricht, welche (in ihrem idealistischen Urzustand) die einzige Möglichkeit ist, um kompetente Leute durch Leistung und Selektion in Schlüsselpositionen zu setzen, damit diese zum Wohle der Gesellschaft handeln und diese voranbringen, egal ob Mann oder Frau. Auch ich kann bei der Aussage „feministische Außenpolitik“ der Bundesaußenministerin Annalena Baerbock nur mit dem Kopf schütteln. Bei so einer Person kann man generell nur mit dem Kopf schütteln, das gleiche gilt für inkompetente Quotenfrauen wie Christine Lambrecht oder Ricarda Lang. Ob sie Frauen sind oder nicht, ist dabei vollkommen egal. Es ist ja nicht so, als ob ihnen die männlichen Kollegen à la Olaf Scholz, Robert Habeck oder Christian Lindner in Dummheit und Inkompetenz etwas nachstünden.
Doch was soll frau nun aus Sätzen machen wie „Frauen leisten weniger“? Die Unterstellung, Frauen genössen das „Privileg“, sich der „außerhäuslichen Arbeit“ zu entziehen oder das Matriarchat sei aufgrund von fehlendem Leistungswillen gescheitert, zeugt für mich persönlich von einer doch sehr einseitigen, verengten und verbitterten Sichtweise, die den Großteil der Frauen als faule Ausbeuterinnen porträtiert, die keinen Finger rühren, Männer niedermachen und dann noch auf ihnen herumtrampeln, während sie sich die Nägel lackieren (ja, ich drücke mich hier bewusst polemisch aus). Das ist ungefähr genauso wahr wie zu behaupten, der Großteil der Männer seien arrogante Machos, die Frauen von morgens bis abends sexuell belästigen, patriarchale Unterdrückungsstrukturen durchsetzen wollen und überhaupt nicht damit klarkommen, dass Frauen beruflichen Erfolg haben. Gibt es faule Frauen? Natürlich. Gibt es sexistische Männer? Und ob. Es gibt aber auch sexistische Frauen und faule Männer.
Eine Fähigkeit, die uns in der heutigen, ideologisch bis zum Gehtnichtmehr aufgeladenen Diskussionskultur abhandengekommen ist, ist die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel. Das gilt auch – oder vielmehr ganz besonders – für die vorliegende Diskussion darüber, wie Frauen- und Männerrechte heutzutage gehandhabt werden, wie Frauen und Männer jeweils in der Gesellschaft dastehen und welche unterschiedlichen Schwierigkeiten und Herausforderungen die jeweiligen Geschlechter überwinden müssen. Dabei ist eines klar: Der Fehler liegt nicht am anderen Geschlecht. Er liegt, wie so oft, im System.


Das System ist das Grundübel und die Ursache dafür, dass die Geschlechter regelrecht gegeneinander aufgehetzt werden. Dies passiert zum ersten auf der politischen Ebene, wo das ehrenwerte und wichtige Konzept der Gleichberechtigung (Frauen und Männer müssen die gleichen Rechte und Chancen haben) immer mehr durch das Konzept der Gleichstellung (es müssen gleich viele Frauen und Männer in gewissen Jobs vertreten sein) ersetzt wird. Dies führt teils zu haarsträubenden Ungerechtigkeiten und sorgt, verständlicherweise, für viel Unmut und Wut auf Seiten der Männer, deren Leistungen damit oft zugunsten von potentiell weniger leistenden Frauen abgewertet werden (siehe „Quotenfrauen“). Zum zweiten passiert dies auf medialer Ebene, wo unsägliche Begriffe wie „toxische Männlichkeit“ (toxic masculinity) oder das beliebte Narrativ des omnipräsenten „Patriarchats“ (laut dem jeder Mann in der Geschichte der Menschheit ein Unterdrücker ist, war und sein wird) Einzug gehalten haben und propagiert werden. Männern, vor allem jungen Männern, einzureden, mit ihnen sei etwas von Grund auf falsch, ist eine menschenverachtende Stigmatisierung von rund 50 Prozent der Bevölkerung und führt zwangsweise zu mehr Problemen, nicht weniger. Zum dritten gibt man radikalen Bewegungen – radikal feministisch auf der einen Seite, frauenverachtend auf der anderen Seite – viel zu viel Raum, sodass der verzerrte Eindruck entsteht, alle Frauen befürworteten #MenAreTrash und würden konstant die #MeToo-Karte ziehen, während alle Männer Sexisten und Frauenschläger seien.
So kommen wir aber nicht weiter. Wollen wir wirklich in einer Gesellschaft leben, in der Männer gegen Frauen und Frauen gegen Männer in ständiger Anschuldigung, gegenseitigem Misstrauen und Zwietracht gegeneinanderstehen, was schlussendlich desaströse Konsequenzen für unsere Kinder und Familien hat? Ein Perspektivenwechsel ist dringend notwendig. Empathie und Verständnis für die andere Seite. Und ganz besonders eines: Wertschätzung.
Wertschätzung erscheint mir der goldene Schlüssel zur Lösung dieses Dilemmas. Wertschätzung der Mütter und Töchter dieser Gesellschaft. Wertschätzung der Väter und Söhne dieser Gesellschaft. Und ich rede nicht von politisch-medialem Geschwafel, von dem sich niemand etwas kaufen kann. Es geht um die Anerkennung der Leistungen von Frauen und Männern im Alltag, direkt vor unserer Nase. Dankbarkeit gegenüber dem Straßenarbeiter, der stundenlang bei brühender Hitze die Straße neu teert. Gegenüber der Krankenschwester, die in der Nachtschicht den Patienten in schweren Stunden beisteht. Gegenüber dem Feuerwehrmann, der unter Einsatz seines Lebens Menschen aus brennenden Häusern zieht. Gegenüber der Polizistin, die unter Einsatz ihres Lebens für mehr Sicherheit auf unseren Straßen sorgt. Aufrichtige Wertschätzung ist das einzige Gegenmittel, über das wir verfügen, um der kontinuierlichen Vergiftung des Geschlechterverhältnisses durch desaströse Politik, ideologisch befangene Medien und verbitterte radikale Meinungsmacher entgegenzutreten.
Den Mangel an Wertschätzung seitens der Frauen beklagt übrigens auch uepsilonniks in seinem Blogbeitrag. Und da hat er recht. Ich bemängele ihn genauso, wenn ich eine Aussage wie „Frauen leisten weniger“ lese. Nun könnte ich hier eine ellenlange Liste all der Dinge schreiben, aufgrund derer wir speziell Frauen wertschätzen sollten, doch das überlasse ich gerne als Herausforderung den männlichen Kommentatoren seines Blogs oder uepsilonniks als nächste Artikelidee. Um selbst mit gutem Beispiel voranzugehen, soll an dieser Stelle deshalb vielmehr eine Lanze für den Mann gebrochen werden.
Denn, um den kontroversen wie brillanten Intellektuellen Jordan Peterson an dieser Stelle zu zitieren: „Was zum Henker sollen wir ohne Männer machen?“1 Wir brauchen Männer. Wir brauchen ihre körperliche Stärke, denn sie sind es, die im Großteil unsere grundlegende Infrastruktur am Laufen halten. Wir brauchen ihre geistige Stärke, ihren Einfallsreichtum, ihren Intellekt, ihren Kampfgeist, ihr Durchhaltevermögen, ihre Initiative, ihren Tatendrang, ihren Humor. Wir brauchen sie als zuverlässige und liebevolle Ehemänner und Väter, wir brauchen sie als tatkräftige Unterstützer und Helfer in der Gesellschaft, nicht nur für Frauen und Kinder, sondern für alle, jung und alt. Wenn ich mich umsehe, sehe ich diese Männer jeden Tag: Müllmänner, die frühmorgens die Container leeren und die Straßen säubern; Väter, die mit ihren Kindern auf dem Weg zur Schule spielen; Lieferanten, die jeden Morgen schwere Waren in unsere Supermärkte, Restaurants und Geschäfte bringen; hilfsbereite und kompetente Kollegen auf der Arbeit; den netten Kellner vom Café nebenan; den freundlichen Barbier im Friseurladen am Eck; den Handwerker, der die defekte Toilette repariert; die Männer im Freundeskreis, die mit ihrem Witz jedes Gespräch auflockern, oder mit interessanten Themen bereichern; die Autoren bewegender Literatur, die in meinem Bücherregal steht; die Erfinder großartiger technologischer Geräte, die uns das Leben erleichtern. Und und und… Es steht für mich völlig außer Zweifel, dass Männern Wertschätzung gebührt, und ich möchte sie nicht missen.
Wenn uns also das System von oben eintrichtert, dass das jeweils andere Geschlecht die Wurzel allen Übels ist, dürfen wir nicht auf diesen perfiden Spaltungsversuch hereinfallen. Politik, die Männer diskriminiert, ist genauso schlecht wie solche, die Frauen diskriminiert. Wenn aus der Regierung eine Frauenquote gefordert wird, heißt dies nicht, dass alle Frauen dahinterstehen und sie schuld daran sind, wenn ein Mann keinen Job bekommt. Es ist der Fehler der Regierung, nicht der Frau. Wenn Männlichkeit von den Medien als toxisch dargestellt wird, heißt dies nicht, dass alle Frauen Männer verteufeln. Es ist der Fehler der Medien, nicht der Frau. Denn auch wenn es natürlich die Phalanx der Männerfeindinnen gibt, genauso wie die Gruppe der Frauenhasser existiert, so sind diese Radikalen keinesfalls die Mehrheit (sie haben vielleicht nur zu viel Macht momentan). Hier ist es unsere Aufgabe als besonnene Frau oder vernünftiger Mann, das andere Geschlecht gegen diese schädlichen Verallgemeinerungen und diesen Hass zu verteidigen und so die Welt vielleicht ein kleines Stück besser zu machen.
Denn schlussendlich brauchen wir einander: Männer brauchen Frauen und Frauen brauchen Männer. Wir sind am Ende des Tages einfach nur Menschen. Wir würden ein Gutes daran tun, nicht auf die billige Masche hereinzufallen, Frauen seien von der Venus und Männer vom Mars, und die Geschlechter seien zu einem ewigen Kampf verurteilt, den nur einer gewinnen kann. Das ist schlicht und ergreifend Unsinn. Stattdessen möge man sich folgendes Zitat des bereits genannten Peterson zu Gemüte führen, der die Debatte – und ihre Lösung – wie gewohnt treffend auf den Punkt bringt: „Es hat sich herausgestellt, dass Frauen Männer brauchen und Männer Frauen, und deswegen gibt es Männer und Frauen […] natürlich, wissen Sie, wir sind dieselbe Kreatur. Wir kooperieren kulturell und biologisch seit Sex selbst erfunden wurde, was vor Hunderten von Millionen von Jahren geschah. Zu glauben, wir hätten gewisserweise ganz unterschiedliche Interessen, ist, mit Ausnahme von einigen völlig trivialen Punkten, eine sehr oberflächliche Art und Weise, auf die Welt zu blicken.”2
Über die Autorin: Jahrgang 1987, mit Wurzeln in Deutschland und den Philippinen, in Spanien ansässig. Konstante Neugier und Wissbegierde. Freiheit > Sicherheit. Sich selbst eine Meinung bilden > Gruppendenken. Kaffee > Tee. Essay-Empfehlung: “The Boys Feminism Left Behind” von Richard V Reeves auf Common Sense.
Die englische Version des Artikels findet sich hier:
„What the hell are we going to do without men? You look around the city here, you see all these buildings go up. These men, they’re doing impossible things. They’re under the streets, working on the sewers. They’re up on the power lines, in the storms and the rain. They’re keeping this impossible infrastructure functioning. This thing that works in miraculous manner. They work themselves to death. And that’s not toxic masculinity. That appalling phrase. It’s what makes the world going round.”
“It turns out that women need men and men need women, and that’s why there are men and women […] of course, you know, we’re the same creatures. We’ve been cooperating together culturally and biologically, well, since sex itself was invented which was hundreds of millions of years ago. To think of us as separate, in some sense, in our interests, except in the most trivial way, is a very shallow way of looking at the world.”